Mit dem Juni beginnt der Sommer. Die Tage sind lang und warm, die Nächte mild. Die roten Rosen sind in voller Blüte und im Schwalbennest recken die geschlüpften Vögel hungrig ihre Schnäbel heraus. Bald ist er da, der längste Tag des Jahres. Sommersonnenwende. Die Erntezeit beginnt, saftigsüße Erdbeeren und Kirschen decken den Kuchen mit Schlagsahne. Die abgegriffene rotkartierte Picknickdecke wird wieder aus dem Schrank geholt. Am Abend das Grillfest in der Gartenlaube, die Lichterketten leuchten. Es wird getrunken, getanzt und gelacht. So jung kommen wir nicht mehr zusammen, sagt Opa jedes Jahr. Wie schön doch der Juni ist. Hier ist Kästners Gedicht Der Juni für dich.

Der Juni
Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt.
Kaum schrieb man sechs Gedichte,
ist schon ein halbes Jahr herum
und fühlt sich als Geschichte.
Die Kirschen werden reif und rot,
die süßen wie die sauern.
Auf zartes Laub fällt Staub, fällt Staub,
so sehr wir es bedauern.
Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott.
Aus Herrlichkeit wird Nahrung.
Aus manchem, was das Herz erfuhr,
wird, bestenfalls, Erfahrung.
Es wird und war. Es war und wird.
Aus Kälbern werden Rinder
und, weil’s zur Jahreszeit gehört,
aus Küssen kleine Kinder.
Die Vögel füttern ihre Brut
und singen nur noch selten.
So ist’s bestellt in unsrer Welt,
der besten aller Welten.
Spät tritt der Abend in den Park,
mit Sternen auf der Weste.
Glühwürmchen ziehn mit Lampions
zu einem Gartenfeste.
Dort wird getrunken und gelacht.
In vorgerückter Stunde
tanzt dann der Abend mit der Nacht
die kurze Ehrenrunde.
Am letzten Tische streiten sich
ein Heide und ein Frommer,
ob’s Wunder oder keine gibt.
Und nächstens wird es Sommer.
Erich Kästner
„Der Humor ist der Regenschirm der Weisen.“
Treffsicher, elegant und immer mit Ironie. So dichtet Erich Kästner. Dieses Jahr wäre er 125 Jahre alt geworden. Zu seinen Ehren blieb mir gar nichts anderes übrig, als sein Gedicht Juni für unsere Jahresmitte auszuwählen. Der Geschmack des Junis wird uns in einer Weise serviert, wie es eben nur ein Erich Kästner zu tun vermag.
Kästner schrieb Gebrauchslyrik, anwenderfreundlich und verständlich, zum Beispiel seine „Lyrische Hausapotheke“. Sie hilft, wenn keine Pille hilft. Leidet man unter Einsamkeit, Lethargie, Großstadtkoller oder Ehekrisen, so schlage man die entsprechende Seite in dem Büchlein auf und lese das verschriebene Gedicht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es hilft.
“Ich war kein Lehrer, sondern ein Lerner.
Ich wollte nicht lehren, sondern lernen.”
Geboren 1899 in sehr bescheidenen Verhältnissen in Dresden, drehte sich das Leben der Eltern um den einzigen Sohn. Die Ehe der Eltern war schwierig – Erich versuchte auszugleichen, indem er ein äußerst gehorsamer und fleißiger Sohn war.
Aus dem Sohn sollte etwas werden, und zwar Lehrer. Von der Schulbank ging es zum Lehrerseminar, das genauso wie die “Kinderkaserne“ namens Schule von Drill und Disziplin geprägt war. Mit 17 Jahren wurde er zum Militär eingezogen - die nächste Drillstation. Schon damals verabscheute er das Militär und seinen blinden Gehorsam. Von der Ausbildung zum Kanonier trug er einen Herzfehler davon; Grund genug sein Leben zu ändern und Germanistik, Theaterwissenschaften und Philosophie in Leipzig zu studieren. Er schrieb erste Gedichte, eine erste Anstellung bei der Leipziger Neuen Zeitung folgte und 1925 sein Doktorexamen in Philosophie.
“Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?“
Die Zeitung feuerte Kästner jedoch bald, weil er zu satirisch und provokant war. „Fußtritt Fortunas“ nannte er die Entlassung rückblickend, denn im Sommer 1927 zog er ins wilde Berlin der Weimarer Republik. Dort war er als Theaterkritiker und freier Mitarbeiter verschiedener Zeitungen tätig. Berlin war kulturelles Zentrum, voll von literarischer Produktivität und künstlerischer Avantgarde. Kabarett und Film florierten, nicht zu sprechen vom exzessiven Nachtleben. In der Atmosphäre der pulsierenden Großstadt schrieb Kästner seinen ersten Gedichtband „Herz auf Taille“. Mit ihm wurde er berühmt. Seine Großstadtlyrik sprach und spricht den Menschen aus der Seele. Es folgte „Emil und die Detektive“, ein Kinderbuch, das zum ersten Mal Kindheit in der Großstadt thematisierte. Später schrieb er „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“. Ein unmoralisches Buch voller Moral für Erwachsene, was ebenfalls verfilmt wurde mit Tom Schilling in der Hauptrolle. „Pünktchen und Anton“ und „Das fliegende Klassenzimmer“ folgten mit großem Applaus und 1931 wurde er in den internationalen PEN-Club aufgenommen.
“Ich bin ein Deutscher aus Dresden in Sachsen. Mich läßt die Heimat nicht fort.
Wenn's sein muss, in Deutschland verdorrt.”
Das Blatt wendete sich 1933. Am 10. Mai verbrannten nationalsozialistisch orientierte Studenten auf dem Berliner Opernplatz die Bücher „undeutscher Autoren“. Etwa 70.000 Menschen versammelten sich, unter ihnen Erich Kästner. Er stand in der Menge und wurde Zeuge, wie seine eigenen Bücher verbrannt wurden. Zum Glück erkannte ihn keiner.
Kästner erhielt Schreibverbot, seine Bücher wurden aus den Bibliotheken entfernt. Er aber blieb fast die gesamten 12 Jahre in Hitlerdeutschland. Zweimal wurde er von der Gestapo verhaftet und verhört. Die gesamte Zeit über führte er Tagebuch, er veröffentlichte unter falschem Namen im Inland sowie unter seinem Richtigen im Ausland. Schließlich wurde ihm auch das verboten. 1944 floh er unter dem Deckmantel eines fiktiven Filmteams der UFA-Studios nach Österreich in die Berge des Zillertals.
Nach dem Krieg ließ er sich in München nieder und blieb dort bis zu seinem Tod. Der Großstadtmensch Erich Kästner, der durch seine Gedichte über den Alltag in der Stadt berühmt wurde, verbrachte seine letzten Jahre in einem gemütlichen Haus mit Garten, seine Schreibmaschine auf der Fensterbank mit Blick ins Grüne. Er war glücklich in diesem ländlichen Idyll mit Blumenwiese, Sträuchern, alten Bäumen und einem Bach, der sich durch die Wiese schlängelte.
„Nichts bleibt, mein Herz.
Und alles ist von Dauer.“
In dieser Zeit schrieb Kästner seinen letzten Gedichtzyklus "Die 13 Monate". Die Gedichte erschienen zuerst monatlich ab 1953 in der Schweizer Illustrierten Zeitung, bevor ein Verlag sie als Gedichtband druckte. Gedichte von einem Großstädter für Großstädter. In der Stadt vergisst man oft das Wunder eines jeden Monats. Die Monatsgedichte sind Zeitgedichte besonderer Art. Es geht um keine bestimmten Ereignisse, es geht nur um das Zeit-lose der Jahreszeit. Es geht um das, was vergeht und doch alles überdauert.
Im Gedicht Juni geht es ums Leben, ums Vergängliche und Beständige. Die süßen und die sauren Kirschen… das sind die guten und die schlechten Erfahrungen, die wir machen. Was einst das Herz erfuhr, wird im besten Fall Erfahrung. Emotionen und Augenblicke sind vergänglich. Wir übernehmen Pflichten und Verantwortung, füttern den Nachwuchs und das Leben nimmt seinen Lauf. Aber dann gehen wir zum Gartenfest und feiern die Schönheit des Abends in seiner Flüchtigkeit.
"Und nächstens wird es Sommer."
Am letzten Tisch, dem Ort, wo sich die Nacht bereits verabschiedet und der Morgen sich ankündigt, sitzen ein Heide und ein Frommer. Der eine glaubt an das Sichtbare, der andere legt seine Hoffnung in Wunder. Schon immer ringen die Menschen um die Frage der eigenen Existenz, um das Verständnis der Welt und des eigenen Platzes darin. Und während die beiden dort sitzen und diskutieren geht das Leben einfach weiter, die Jahreszeiten kommen und gehen. Unaufhörlich.
Die Diskussion um Wunder ist Symbol für unser ewiges Streben nach Bedeutung in dieser Welt. Denn am Ende geht es nicht um die richtige Antwort auf die Frage. Es geht darum, dass wir nie aufhören zu fragen und dem Leben Bedeutung geben wollen. Und das ist das wahre Wunder.
Moral
Es gibt nichts Gutes.
Außer: Man tut es.
Mit diesem Epigramm Kästners möchte ich mich verabschieden und dir einen Juni voller Wunder wünschen! Das kann ein hitziges Gespräch sein oder ein Erdbeerkuchen mit Sahne!
Deine Jana
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