Silvesterabend - spätestens nach dem Bleigießen, Käse schmelzen und Raketen schießen stellt jemand die Frage nach den guten Vorsätzen. Ich habe irgendwann aufgehört mit den Vorsätzen, meine To-do- Liste vom letzten Jahr war noch lang genug.
Dennoch ist das Jahresende ein guter Zeitpunkt, über das Leben zu sinnieren. Vielleicht spürst du noch die Nachwehen der Silvesternacht, deswegen überlassen wir das Sinnieren für heute den Poeten dieser Welt.
Im Barock wurde den Menschen die unaufhaltsame Vergänglichkeit des irdischen Daseins mit MEMENTO MORI und VANITAS ins Gedächtnis geklopft. Durch den 30-jährigen Krieg und die Pest war der Tod allgegenwärtig. Abhilfe schufen zwei Strategien: Der Glaube an die Erlösung im Jenseits und CARPE DIEM. Nutze den Tag, denn er ist kostbar.
Rainer Maria Rilke blickte 200 Jahre später schon etwas meditativer auf das Leben. Voller Symbolismus und Pantheismus lebt er sein “Leben in wachsenden Ringen“, schreibt er im Stundenbuch. Wie ein Baum, der mit jedem Jahr einen neuen Ring dazu gewinnt und immer breiter und breiter wird, so nimmt Rilke im Verlauf seines Lebens die Fülle der Existenz immer weiter und weiter in sich auf.
“Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und hilft zu leben.”
Wir stehen nun am Anfang eines neuen Jahres, darum soll es heute um Herrmann Hesses “Stufen” gehen - DAS Gedicht schlechthin, wenn es um das Leben und seine Neuanfänge geht. Obwohl er dieses Gedicht 1941 mitten im 2. Weltkrieg und nach langer Krankheit schrieb, lautet seine Botschaft: Stürze dich voller Optimismus ins Leben, entwickle dich von Lebensstufe zu Lebensstufe weiter und scheue niemals die Veränderung.
“Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten”.
Alle Lebensphasen zu durchschreiten erfordert Mut. Hesses lyrisches Ich ist eine Idealfigur eines aktiv handelnden Menschen, der bereit ist für neue Erfahrungen und keine Herausforderung ablehnt. Auch wenn die Jugend vergeht, die Weisheit und Tugend hingegen wächst mit der Erfahrung einer neuen Lebensstufe.
“Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.”
Hesse rät uns, stets bereit zu sein für Abschied und Neubeginn, damit wir nicht Erschlaffen und im gefürchteten und oft realen Hamsterrad hechelnd um unser Leben rennen.
Der Zauber des Anfangs hält uns lebendig. Mit jeder Stufe, die wir erreichen, entdecken wir etwas Neues. Die Frage ist nur, wie merke ich, dass die nächste Stufe ansteht. Verändern, Weitermachen, Loslassen, Abwarten? Und bin ich hier überhaupt im richtigen Treppenhaus?
“Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!”
Das Herz ist Symbol für den fühlenden und intuitiven Menschen. Wir alle haben eine innere Stimme, auf die wir immer hören dürfen, vor allem wenn wir Zweifel haben. Dafür richten wir uns nach innen, meditieren, wandern und nehmen uns wirklich Zeit für uns in der Stille. Wir gehen offline... bis unsere innere Stimme immer klarer wird.
Wir haben auch diesen Willen in uns. Wenn uns etwas wichtig ist, dann wagen wir den nächsten Schritt und gehen weiter und weiter. Wir können gar nicht anders, als irgendwann unsere Komfortzone zu verlassen, auch wenn Gegenwind aufkommt.
Hesse nannte sein Gedicht ursprünglich „Transzendieren“ - das Überschreiten der eigenen Erfahrungswelt. In diesem Sinne ist es nun an der Zeit, in dein neues aufregendes Jahr zu transzendieren. Ein Jahr in dem du neue Stufen erklimmst und alte hinter dir lässt.
Der winterlich klirrende Monat Januar hat diesen geheimnisvollen Zauber des Anfangs, den Hesse beschreibt. Stimme dich voller Vorfreude und Optimismus auf das neue Jahr ein!
Ich wünsche dir einen zauberhaften Januar voller guter Gedanken!
Deine Jana
Reflexionsfragen, die du dir stellen kannst:
Was will ich schon seit langem ausprobieren, habe es mich aber nicht getraut?
Wie kann ich mein Leben leichter gestalten?
Was möchte ich lernen?
Nach was sehne ich mich?
Gibt es einen Knoten in meinem Leben, den ich auflösen will?
Was ist der beste Rat, den ich erhalten habe?
Worüber mache ich mir Sorgen?
Was bringt mich zum Lachen oder gibt mir Energie? Schreibe alles auf.
Was lässt du los?
Was ist dein erster Schritt, den du im neuen Jahr unternehmen willst?
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